*** English Version below ***
Die absurde Widersprüchlichkeit des Bergabgehens ist ja, dass es im übertragenen Sinne absolut abstoßend, jedoch im sprichwörtlichen Sinn äußerst erstrebenswert ist.
Als wir am Wochenende bei der Uni aus dem Bus steigen, der uns vom Flughafen nach Southampton kutschiert, sind wir vom vielen Sitzen so benommen, dass wir beschließen, doch ein Stückchen zu gehen, bevor wir ein Taxi nehmen. Es muss an der dünnen Luft hinter der Maske in den geschlossen Räumen liegen, denn natürlich wäre es viel einfacher, mit den schweren Koffern uns Rucksäcken zuerst nach Hause zu fahren und dann dort noch eine Runde zu drehen. Aber dann ist Spazieren in neuen Gassen doch immer reizvoller.
Und so rollen wir die Koffer dahin, und alles ist ganz in Ordnung, bis ich erkenne, wie hügelig die Stadt ist. Das wusste ich natürlich schon davor, aber nun im Gehen samt 23-Kilo-Koffer (natürlich die Gewichtbegrenzung ausgereizt) ist das von größerer Konsequenz als in einem fahrenden Vehikel.
Zum Glück vertraue ich an der nächsten Weggabelung also nicht nur S., der mich in eine Schlucht führen will (was ja noch nicht das dramatische wäre, aber: der Anstieg danach!), sondern dem mobilen Navigationsgerät, das zur nur leicht abfallenden Straße rät.
Und ich halte dogmatisch fest: “Von jetzt an geht es nur noch bergab.”
Und schon wieder klingt ein Satz sonderbar in meinem Ohr. Denn während im spaziergeherischen Zusammenhang meine Aussage Erleichterung verspricht, ist er als Neujahrsvorsatz – und alles, was im Jänner geäußert wird, zählt doch dazu – äußerst unzureichend. Dann ist der Gegenteil gefragt: Es soll doch bitte keinesfalls hinunter, sondern ausschließlich bergauf gehen.
Runter zum Ziel
Denn Erfolg ist auf der Spitze. Und die sollen wir anstreben, aber irgendwie nicht erreichen und noch viel weniger überschreiten. Denn bis dahin kommt mehr. Doch mit dem Berühren des Gipfelkreuzes kommt der Adrenalinrausch, das Glücksgefühl es geschafft zu haben. Und wer will eigentlich das danach? Der Abstieg ist zwar leicht und fedrig, aber viel zu schnell vorbei und bleibt selten in Erinnerung.
Auf Dreiviertel des Weges kommen wir an einem niedlichen Grätzel vorbei und das warme Licht des hippen Alehouses lockt. Die Koffer vor den nassen Holzbänken geparkt, stehen wir im Freien, sippen an Weißwein und Pale Ale und lassen uns vom frischen Wind verrückte Ideen in den Kopf setzen.
Und obwohl ich weiß, dass der schlimmste Aufstieg bevorsteht und obwohl ich den Anstieg in Gedanken verfluche, bin ich gleichzeitig seltsam positiv gestimmt. Trotz oder wegen des Jammerns ob der Anstrengung, trotz des Fluchens wenn der Koffer an der Gehsteigkante hängen bleibt, wird mir dieses Stück des Weges besonders in Erinnerung bleiben. Und mit dem nächsten Schluck Wein kommt die Erkenntnis, was mit diesen abgedroschenen Satz gemeint ist: Es geht nur um den Weg.
WHY DOWNWARD IS NOT EASY AT ALL
The absurd contradiction of walking downhill is that it’s metaphorically repulsive, but literally desirable.
When we get off the bus that takes us from the airport to Southampton at the university at the weekend, we are so dizzy from all the sitting that we decide to walk a bit before taking a taxi. It must be the thin air behind the mask in the closed rooms, because of course it would be much easier to drive home first with the heavy suitcases and backpacks and then go for a walk there. But then walking in new alleys is always more appealing.
And so we roll the suitcases along and everything is just fine until I realise how hilly the city is. I knew that before, of course, but now walking along with a 23-kilo suitcase (of course the weight limit is exhausted) it is of greater consequence than in a moving vehicle.
Fortunately, at the next fork in the road, I don’t just trust S., who wants to lead me into a ravine (which wouldn’t be the most dramatic thing, but the climb afterwards!), but the mobile navigation device, which advises me to take the only slightly sloping road.
And I dogmatically state: „From now on, it’s all downhill.“
And again, a sentence sounds strange in my ear. For while in a walking context my statement promises relief, as a New Year’s resolution – everything uttered in January counts as such – it is extremely inadequate. Then the opposite is called for: It should not go down under any circumstances, but exclusively uphill.
Downwards is the goal
Because success is at the top. And we should strive for it, but somehow not reach it and even less exceed it. Because there is more to come. But with the touching of the summit cross comes the adrenaline rush, the feeling of happiness at having made it. And who really wants that afterwards? The descent, though easy and bouncy, is over far too quickly and is rarely remembered.
Three quarters of the way down, we pass a cute neighbourhood and the warm light of the hip alehouse beckons. Suitcases parked in front of the wet wooden benches, we stand outside, sipping white wine and pale ale and letting the fresh wind blow crazy ideas into our heads.
And although I know that the worst climb is ahead and although I curse the ascent in my mind, I am strangely positive at the same time. Despite or because of the complaining about the effort, the cursing when the suitcase gets stuck on the edge of the pavement, this part of the way will remain especially in my memory. And with the next sip of wine comes the realisation of what is meant by this hackneyed phrase: It’s all about the journey.