Eine Eroberung auf zwei Rädern

Es heißt, Radfahren verlernt man nicht. Vielleicht weil die meisten Menschen, die es einmal können, keine neun Jahre vergehen lassen, bis sie wieder auf den Sattel steigen. Neun Jahre? Ich gebe der Vespa die Schuld. Sie sagt, es war die Bequemlichkeit.

Die Lenkstange ist zu beweglich, der Sitz zu schmal, der Reifen zu dünn. Wie kann sich etwas, das man schon einmal konnte, so wackelig anfühlen?

Nach ein paar Gassen kommt das alte Gefühl zurück und ich kann mir  wiederum nicht mehr vorstellen kann, wie das Fahren gerade noch ungewohnt gewesen sein kann.

Natürlich geht es das letzte Stückchen vor dem Apartment in Southampton noch einmal so richtig bergauf. Ich sehe mich als kleines Kind neben meinem Papa ein unbezwingbares Massiv irgendwo bei Wien hinaufkeuchen.

Solange ich quatschte, war alles gut. Das Reden war mein Dynamo, den ich gegen den Reifen kippte, um durch mein Treten Energie zu erzeugen; ein plaudernder Lichtkegel. Ich echauffierte mich immer ein kleines bisschen zu früh über die Steigung; behauptete, gleich absteigen zu müssen auch wenn noch Luft nach oben war, damit ich umso stolzer sein konnte, wenn ich es doch schaffte.

Fast bringt mich ein Auto aus dem Gleichgewicht, als es mich kurz vor der Kuppe überholt.

Autos zuerst

In England gehört die Straße den Autos. Sie bremsen nicht, wenn Fußgänger*innen die Straße überqueren möchten.

Auch nicht bei diesen kleinen Inseln, die zwar keinen Zebrastreifen haben, aber bei denen man denken könnte, dass hier Fußgänger*innen der Vorrang gegeben wird. Andere Regeln.

Sie fahren an dir als Radfahrerin knapp vorbei. Und wenn sie nicht sofort vorbeikönnen, weil zu wenig Platz ist, klingt ihr Brummen wie eine Anschuldigung: Du hältst mich auf.

Ich trete hektischer, der Gang ist zu niedrig, der Gang ist zu hoch. Das Brummen wird zum Knurren eines Rottweilers. Bei nächster Gelegenheit schieße ich hinauf auf den Gehsteig und der Wagen an mir vorbei. Kiessteine spritzen.

Der Gehweg ist zu schmal, ich muss Fußgänger*innen ausweichen, stoppen, warten, vorbeigondeln. Und bleibe trotzdem dort.

Ansichtssache

Vielleicht ist es dann die Ruhe und Wärme nach der Yogastunde. Als ich von der Seitengasse auf die Hauptstraße einbiege, Fahrtwind um die Wangen, Sonne im Rücken und das Rascheln der Blätter im Ohr, weiß ich, dass ich mir den Raum nehmen darf.

Und die Schnauze des SUV der mich als nächstes überholt, sieht nicht mehr nach angriffslustigem Hai, sondern nach drolligem Golden Retriever aus.

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