Das Märchen mit dem Schokokuchen

Brownie

Es war einmal eine junge Frau, die aß zur Nachspeise am liebsten Schokokuchen.

Sie hatte sich das lange Zeit nicht eingestanden. Sie wollte gerne Cheeseecake am liebsten haben oder Crème brûlée. Das sah gut aus und klang beeindruckend, fein, interessant. Diese Gerichte mussten aufwändiger zubereitet oder komplex angerichtet werden, die mussten einem doch am besten schmecken, dachte sie. Aber jedes Mal, nachdem sie einen Schokokuchen verspeist hatte, war ihr klar, dass sie keine Süßspeise lieber hatte. Es lag am Geschmack, am sanften Kern, irgendwie auch: an der Einfachheit.

Schwer zu finden

Allzu oft kam sie aber gar nicht zu Schokokuchen. Irgendwie gab es ihn nur selten auf den Speisekarten der Restaurants, die sie besuchte. Je lieber sie ihn wollte, desto weniger schien sie ihn zu finden. Manchmal gab es sogar so lange keinen Schokokuchen, dass sie sich schon überlegte, ob alle Schokokuchen von anderen Menschen aufgegessen worden waren und sie nie wieder einen essen würde. 

Dann wurde die junge Frau sehr traurig, denn sie hatte zwar schon Schokokuchen im Speziellen, aber auch Desserts im Allgemeinen sehr gern. Also begann sie, immer öfter eine Ausnahme zu machen. Wenn sie ein Cheesecake in der Vitrine anlachte oder der Kellner ihr die Crème brûlée ans Herz legt, gab sie der Versuchung nach.

Kein Vergleich

Als ihre Freundinnen fragten, wieso sie denn auf einmal so viel Cheesecake und Crème brûlée aß, obwohl sie danach oft über Bauch- und Magenschmerzen klagte, zuckte die junge Frau verärgert mit den Schultern. Naja, was sollte sie machen?

Es war nun einmal kein Schokokuchen da. Sollte sie, nur weil sie keinen Schokokuchen fand,  jetzt tatsächlich ihr Leben lang auf Desserts verzichten? Waren es am Ende nicht alles bloß Süßspeisen? Und vielleicht mochte sie Schokokuchen ja auch gar nicht am liebsten. Jetzt, da sie immer öfter Cheesecake aß, musste sie sagen, der schmeckte doch auch sehr gut. Und er sah so gut aus. Machte sich gut auf den Fotos für die sozialen Medien. Machte doch nichts, dass er so schwer im Magen lag.

Die Freundinnen schauten sich vielsagend an, sagten aber nichts.

Dann eben gar nicht

Die Pause war unbeabsichtigt. Die junge Frau war zufällig in einem Lokal gelandet, das keine Süßspeisen servierte. Und sie erkannte, dass sie auch ohne Dessert gut essen gehen konnte. Sie probierte es daraufhin wieder aus und fühlte sich herrlich leicht.

Beim vierten Mal landete sie nur zufällig auf der Seite für die  Desserts, eigentlich war sie auf der Suche nach den Weinen. Und was stand da: Hausgemachter Schokokuchen mit weichem Kern.

Sie verstand selbst nicht, warum sie das so freute.

Und als sie den ersten Bissen nahm, musste sie sich eingestehen, dass ihr all die Cheesecakes und Crème brûlées den Blick auf den Schokokuchen vielleicht doch ein wenig verstellt hatten.

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert