Die Suche nach der Schweißperle
Der Schnalzer des Handtuchs endet Millimeter vor meiner Nase und treibt mir eine derart beißende Hitze ins Gesicht, dass ich den Kopf im Ellenbogen verstecken muss. Der süße Geruch von Tannennadeln hilft nur ein bisschen, das hier erträglich zu machen.
Mir ist heiß. Mir ist unerträglich heiß, aber mein Kopf schwitzt immer noch nicht, weil mein Kopf einfach nicht schwitzen kann. Ich werde bloß rot, deshalb haben die Kindergartenpädagoginnen als ich noch ein Kind war, regelmäßig aufgeregt meine Eltern angerufen und gemeint ich sei krank. Ich hätte einen ganz heißen, roten Kopf und Fieber.
Aber ich war bloß aufgeregt. Und dann werde ich tomatenrot. Sonst nix. Bis heute.
Keine Schweißperle auf meinem Gesicht. Mein Gesicht fühlt sich an wie Papier kurz vor dem Reißen. Deshalb findet es mein Verstand wohl so vollkommen unverständlich, dass ich hier sitzen bleibe und nicht in der Sekunde Reißaus nehme. Aber ich möchte so gerne durchhalten.
Es schwärmen doch alle davon. Eng nebeneinander auf Holzpritschen in einem Raum zu sitzen, der so heiß ist, dass Wasser fast von alleine zu kochen beginnt.
Ab welcher Temperatur kocht eigentlich Blut?
Vielleicht fängt meines schon damit an; ich höre es in meinen Ohren jedenfalls rauschen. Rauscht kochendes Blut? Vielleicht ist es aber auch bloß von meinem Verstand intensiviert, um mir Angst zu machen, damit wir endlich diesen Raum verlassen können.
Nackte Tatsachen
Ich lenke mich ab und mustere unauffällig die nackten Menschen um mich herum.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es komisch. Vielleicht bin ich prüde. Aber ganz ehrlich, die gleichen Menschen, die auf der Straße böse schauen, wenn ein Rock zu kurz ist, schauen hier böse, wenn das Handtuch zu eng gezogen ist.
Alles muss System haben.
Alles geregelt.
Alle gleich.
Aber Nacktheit, die verordnet ist, ist komisch.
Nacktheit muss frei sein.
Ohne Schild “Hier beginnt der Nacktbereich”. Und ohne durchgestrichenen Fotoapparat für den Fall, dass irgendein Idiot nicht checken sollte, dass man keine fremden nackten Menschen fotografiert.
Von dem vielen Nackt schwirrt mir der Kopf.
Mein Herz beginnt stärker zu klopfen und ich überlege ob ich bald umkippen werde und wie lange es dauern würde, bis die um mich herumsitzenden Fremden bemerken würden, dass ich ohnmächtig geworden bin und mich nach draußen tragen.
Mein Herz klopft gleich noch etwas schneller.
Rasende Gedanken
Lustig, so heiß kann meinem Körper gar nicht sein, denke ich, wenn er noch Ressourcen hat, sich aufzuregen.
Oder klopft mein Herz schneller, weil es vielleicht gleich umkippt? Mein Herz klopft aus Angst noch ein bisschen schneller.
Ich merke: Wir befinden uns in einem gedanklichen Teufelkreislauf.
Teuflisch.
Was zur Hölle hat die Finnen eigentlich auf diese absurde Sauna-Idee gebracht? Die spinnen, die Finnen. Analog zu: Die spinnen, die Römer, wie es Asterix & Obelix immer sagen. Wären mal die Finnen die Bösen gewesen, reimt sich doch viel besser! Hm, wirr. Fühlt es sich so an, wenn das Hirn schmilzt?
Warum finden das Menschen toll? Wie könnt ihr entspannt sein?!
Weiter geht’s
Der Mann mit dem Handtuch hat die erste Runde beendet, gießt nur ganz kurz Wasser auf die heißen Steine gießt, dass es zischt.
Dann wachelt er wieder los. Mir bleibt kurz die Luft weg, als er an mir vorbeikommt.
Als die Runde vorbei ist, klatschen die Menschen um mich herum.
Wie sie die Kraft dazu haben, weiß ich nicht.
Warum genau sie klatschen – außer vielleicht, um dem Mann mit dem Handtuch dazu zu gratulieren, dass er bei diesen Temperaturen um uns herum noch stehen kann – erschließt sich mir auch nicht.
Der Handtuch-Mann will seine dritte Runde beginnen.
Doch mein Körper ist schneller als mein Kopf oder umgekehrt – jedenfalls stürzen wir alle drei miteinander zur Tür.
„Aber geh, die Erste schwächelt schon“, höre ich noch, als ich die Glast-Holztür schließe und wenn ich die Kraft hätte, hätte ich ihm die Zunge rausgestreckt. Oida! Muss alles auf dieser Welt ein Wettbewerb sein!
Draußen ist es eiskalt, es ist fast schon dunkel, beim Einatmen tut es mir in der Lunge weh (schon wieder). Ich ringe nach Luft, wische mir über die Stirn – aber was ist das?
Spüre ich da…
… meine erste Stirnschweißperle!
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