Perspektivenwechsel oder Wie man einen küh-len Kopf bewahrt
“Du Freak”.
Mias Reaktion, als ich ihr sage, dass ich mich auf die 18 Grad freue, die der Wetterbericht für den Großteil der Woche in England prognostiziert. Eine Augustwoche unter 20 Grad, herrlich!
Und der Urlaub bedeutet auch: Eine Woche lang nicht im Büro darum kämpfen, dass die Heizung auf Saunabetrieb geschaltet wird. Gut, Sauna ist übertrieben. Die Kolleginnen und Kollegen wollen vielleicht nur keine 19 Grad. Aber ganz ehrlich, wenn es zu kuschelig warm ist, kann sich doch niemand konzentrieren?
Hochgezogene Augenbrauen.
Offenbar kann man doch.
Offenbar ist ein Raumideal von 19 Grad für die meisten gar nicht so wünschenswert.
Offenbar finden die meisten wohlig warm temperierte Zimmer sogar sehr angenehm.
Ist mir unverständlich.
Schweißgebadet
Ebenso wie ein Discobesuch an heißen Tagen.
Vor allem: Dort nicht im einigermaßen aushaltbaren Außenbereich verweilen, sondern freiwillig die Folter der Indoor-Tanzfläche anstreben. (Hier ist der Saunavergleich doch wohl wirklich angebracht.) 1.000 Grad und kein Partikelchen Sauerstoff in der Luft, dafür eine schweißbedingte Luftfeuchtigkeit von 120 Prozent.
Aber offenbar sehen auch das viele anders.
Und wenn die Seltsamen gemeinsam in der Überzahl sind, vielleeiiicht ist man dann eigentlich selbst diejenige mit der ungewöhnlichen Einstellung.
Fühle mich mit meinem Kältewunsch nun sehr allein.
Wind an meinen Wangen
Aber, jetzt gibt’s sowieso erst einmal Abkühlung in Derbyshire: Graftschaft voll sanfter Hügel und Wiesen voller Kühe. Als ich aus dem Zug steige und mir der kühle Wind um die Wagen streicht, kommen mir fast die Tränen.
Am zweiten Tag der Konferenz gibt’s Disco im Wintergarten. Wir hüpfen zu den Hits von Abba, den Beatles und einmal ganz kurz zu “Hey Baby” von DJ Ötzi. (Wirklich, damit wird Österreich repräsentiert?!) Trotzdem: meine Stimmung könnte eigentlich nicht besser sein. Aber dann – ich hatte noch nicht einmal den Gedanken, dass es stickig sein könnte – wird das Fenster aufgerissen. Wenig später die Terrassentür. Die kühle Nachtluft weht herein.
Das ist mal eine Discotemperatur nach meinem Geschmack!
Vielleicht ist meine Hitzigkeit doch gar nicht so ungewöhnlich! Vielleicht war ich bis jetzt nur in der falschen Vergleichsgruppe.
Nein, ich friere nicht!
Nächster Tag: Morgenmeditation am Teich. Ich erscheine in Jogginghose und Pullover. In der Früh ist es doch ziiiemlich frisch.
Und als wir so ruhig dasitzen und die Kälte udn Nässe des Bodens durch die Yogamatte dringt, bekomme ich eine ziemliche Gänsehaut. Über alle Unterarme, Oberarme, Beine, sogar im Nacken.
(Nicht, dass ich das zu Hause zugeben werde.)
(Ebenso wenig, wie dass ich mit langer Hose und Schal schlafe, weil die Fenster schlecht dichten.)
Ich blicke mich unauffällig um, ob die anderen auch frieren – und muss feststellen: sie wirken äußerst unbedruckt von der Temperatur.
Und dabei tragen fast alle Kleider oder kurze Hosen!
Kurios.
1.700 Kilometer von Wien und schon bin ich am gänzlich anderen Ende der Kälteempfindlichkeit. Vielleicht sollte mir das aber auch sagen: Hör endlich auf mit dem Vergleichen!
Das Ergebnis ist nämlich vollkommen nichtssagend.
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