Genug gewartet oder Und dann beginnt das Leben

Frau in dere Disco

Ein typischer Ablauf:

Ich sehe ihn an und ein weißer Pfeil schießt durch meinen Körper.

Es kribbelt in der Magengrube.

Ich bin aufgeregt. Den ganzen Tag lang, auch wenn wir einander vielleicht gar nicht sehen. Auf einmal ist da eine Energie, mit der ich Bäume ausreißen könnte. Okay, das vielleicht nicht. Aber weniger müde bin ich tatsächlich. Bleibe länger munter als gewöhnlich. Male mir Dinge aus. Erlebnisse. Plane Projekte. Komme in der Arbeit besser voran.

Bade in alten Momenten, hole mir die Erinnerungen nach oben, gemeinsam mit dem Gefühl, das ich zu dem Zeitpunkt hatte und schwelge darin. Stundenlang.

Die Welt hat von Pastelltönen in knallbunte Farben gewechselt. 

Drei Monate später:

Der Faustschlag der Ernüchterung. Er zieht sich zurück. Es tue im Leid (manchmal vielleicht nicht einmal das), es sei ja eh ganz nett gewesen, aber mehr gehe sich gerade wirklich nicht aus.

Freundschaft plus?

Wieder auf Sparflamme

Ich knalle die Tür zu. Verkrieche mich mit meinem Laptop und Netflixserien in mein Bett. Tue mir leid und sehe zu, wie die Farben um mich dumpfer werden. Ärgere mich, dass ich jetzt wieder nicht mein volles Potenzial meiner selbst ausschöpfen kann.

Was für ein blöder Gedanke! Als würde ich ohne Partner nur mit 80 Prozent leben können. Als könnte ich nur mit ihm meine volle Kapazität nutzen. Weil da ein Haufen Gefühle und Energie in mir  nur zum Vorschein kommt, wenn ich verliebt bin.

Und dann – mit ihm? – beginnt das Leben?

Das Sport-Dilemma

Ein Gespräch mit einer Freundin fällt mir ein.

Vor einiger Zeit wurde ihr ein Hüftproblem diagnostiziert. Für sie, die davor jedes Wochenende wandern, klettern oder auf einer Radtour war, heißt es seitdem: Schonzeit. Jedes Mal, wenn jemand vom jüngsten Fitnessstudiobesuch erzählt, brodelt es in ihr. 

Unlängst meinte sie: “Ach, Anna, ich bin so unausgelastet. Ich habe das Gefühl, ich kann erst wieder richtig leben, wenn dieses Problem weg ist.”

Die Wohnort-Frage

Noch ein Gespräch fällt mir ein.

Mit einer anderen Freundin. Sie kommt aus Salzburg, kam fürs Studium nach Wien und fährt immer noch jedes zweite, dritte Wochenende nach Hause. Zu ihren Freunden von früher, zu ihren Eltern.

Eigentlich wollte sie nie lange in Wien bleiben. Aber nach dem Studium wollte sie irgendwie auch nicht gleich retour. Zu sehr hatte sie sich an die Annehmlichkeiten der Großstadt gewöhnt. Jedes Jahr an Silvester überlegt sie, ob sie heuer nicht zurück aufs Land ziehen soll.

Jedes Mal verschiebt sie die Entscheidung um ein Jahr.

Letztens sagte sie zu mit: “Weißt du, Anna, ich hab das Gefühl, ich lebe on hold. Und erst wenn ich diese Entscheidung getroffen habe, geht mein Leben richtig los.”

Genug gewartet

Vielleicht bin ich keine Ausnahme. Vielleicht bin ich die Regel. Vielleicht warten wir alle auf diesen einen Punkt in der Zukunft.

Den man aber nie erreicht, wie den Horizont. Der immer vor einem herzuschweben scheint.

Wie unnötig!

Ich habe mich jetzt jedenfalls einmal für den Salsakurs angemeldet.

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