(K)ein Sprung ins kalte Wasser
Ich stehe vor dem kleinen FourSqaure-Supermarkt in Akaroa (einem 600-Seelendorf, ein bisschen südlich von Christchurch auf der Südinsel Neuseelands) und schwitze. Es ist heiss, die Sonne ist zu stark und der Koffer gemeinsam mit dem Einkauf ist zu schwer.
Vor mir liegen drei Tage in einem Farmhostel. Einem kleinen Bauernhof am Berg, von dem der nächste Supermarkt zu Fuß eine Stunde entfernt ist (bergab; bergauf mit Einkauf wohl doppelt so weit). Ich musste also das Essen für die drei Tage vorher kaufen; in wenigen Minuten wird ein kleiner Bus von der Farm mich abholen und hinaufbringen.
Auf einmal finde ich die Ausgesetztheit des Hostels doch unangenehm. Ich bereue es, dem Vorschlag einiger Urlauber gefolgt zu sein und diesen Trip gebucht zu haben, und ich ärgere mich, dass ich kein Auto habe, das mich flexibel macht.
Die Straße zur Farm ist dann sehr kurvig, dazu rumpelig; mir wird ein bisschen übel. Als wir aussteigen ist nur Kies um uns herum, ich muss den zu schweren Koffer tragen und dafür ist er nicht gemacht.
Ich fühle mich einsam.
Die Ankunft
Und dann stelle ich den Koffer vor der Rezeption ab. Leichte Wolken dämmen die heißen Sonnenstrahlen, es riecht köstlich nach Jasmin und die Rezeptionistin stellt mir das beste Bett des Girl Dorm (ich glaube eigentlich: das Beste der ganzen Farm) zur Verfügung: eine Nische mit zwei Matratzen in einer kleinen Einbuchtung vor einem großen Fenster.
Ich liebe mein kleines Nest noch bevor ich weiß, dass ich in der Nacht von dort aus den Sternenhimmel sehen kann. (Weil es rundherum sehr finster ist, sieht man so viele Sterne, dass es einen ein wenig erschlägt.) Ich atme lange aus und erkenne, das alles sehr gut ist.
Abends lerne ich eine Gruppe sehr lieber Menschen kennen. Und vielleicht liegt es dann ausgerechnet an der Ausgesetztheit des Ortes, aber obwohl ich sie noch nicht lange kenne, fühle ich mich ihnen sehr verbunden.
Ich bedanke mich jetzt innerlich ganz oft bei den Urlaubern, die mir diesen Ort vorgeschlagen haben.
Die Sache mit den Delfinen
Die nächste Herausforderung: Ich rede mir seit zwei Jahren ein, dass ich bei meiner nächsten Neuseelandreise mit Delfinen schwimmen muss. Beim vorigen Mal hab ich das verpasst, weil mir das Boot zu klein war und mir schon bei der Probefahrt mit dem Boot eines Freundes schlecht war. Also bin ich tags darauf zum großen Delfin-Suchen nicht mit und habe das seitdem sehr oft bereut, weil die anderen nicht nur Delfine gefunden, sondern im türkisfarbenen Meer auch mit ihnen geschwommen sind.
Das will ich auch!, hab ich mir ganz oft gedacht und verdrängt, dass es einen Grund gab, weshalb ich das letzte Mal nicht mit dabei war.
Das Herzklopfen in der Nacht vor dem Bootsfahren erinnert mich daran.
Das Geheimnis der Neoprenanzüge
Ich mag Bootsfahren nicht so gerne.
Noch weniger Fahrten mit kleinen Booten.
Am allerwenigsten mit Kleinen ohne Toilette. (Noch dazu bei längeren Fahrten.)
Die Rezeptionistin, die vielleicht meinen beunruhigten Blick sieht, meint: „Also, es gibt ja rundherum das Meer.“
In meiner Verzweiflung – weil das Dolphin-Swim-Abenteuer 3,5 bis 4 Stunden dauern soll – google ich, ob Menschen tatsächlich in Neoprenanzüge pinkeln.
Offenbar machen das alle und wenn man einen ausgeborgten Neoprenanzug anzieht, kann man davon ausgehen, dass jemand das auch schon in diesem gemacht hat.
Die Vorstellung widert mich an und beruhigt mich.
Ich beschließe, trotzdem vor dem Ausflug wenig zu trinken und weil wir uns schon um 7:30 Uhr treffen ist das einfach.
Die Anti-Seekrankheitstablette, die ich vorsichtshalber eingenommen habe, wird sich als ratsam erweisen: Eine andere Urlauberin wird ab Minute 40 über der Reling hängen und sich da erst wieder wegbewegen, als wir aussteigen.
Die verspielte Eleganz
Mir ist nur halbübel und jedes Mal, wenn wir Rückenflossen von Delfine auftauchen sehen oder sie sich unter dem Boot herumzuwirbeln, vergesse ich es ein bisschen. Jetzt sehe ich sie erstmals in echt: So elegant und freundlich.
Wir fahren in eine Bucht mit süßen Seerobbenbabys, die in einer Pfütze herumplanschen und nur von einer großen Seerobbe (wohl die Kindergartenpädagogin) beobachtet werden. Die anderen erwachsenen Robben sind auf Futtersuche, erklärt uns der Skipper. Wir sehen kleine Pinguine und einen Albatross und ich fühle mich wie eine Abenteurerin.
Als wir endlich ein paar Delfine finden, die beim Boot bleiben, bietet uns der Skipper an, ins Wasser zu gehen.
Der Moment, auf den ich gewartet habe.
Eine unerwartete Wende
Und während die anderen mit Schnorcheln und Flossen ausgestattet ohne zu Zögern vom Boot hüpfen, setzt bei mir ein Herzrasen, das ich nur zu gut kenne und jetzt gar nicht gebrauchen kann. Und trotz der lachenden Delfine wirkt das Meer auf einmal bedrohlich.
Ich steige langsam mit einem Fuß auf die Leiter im Wasser, aber anstatt mich zu beruhigen, wird mir jetzt auch noch schwindelig.
Als ich den zweiten Fuß dazustelle, ist der Skipper neben mir. Er sieht ein bisschen aus wie Käptain Iglo und wie jemand, dem auch ein Orkan auf hoher See nichts anhaben könnte.
„Ist das eine Panikattacke?“, fragt er und ich bin von diesem Satz schon überrascht (weil ich nicht erwartet hätte, dass er so etwas kennt, noch weniger erkennt) und vom nächsten noch mehr: „Weißt du, mir geht’s genauso.“
Während die anderen versuchen, zwischen den schwappenden Wellen, Delfine auszumachen, erzählt er von seiner Angst. Ich weiß nicht, ob es stimmt oder ob er mich beruhigen will – aber es sind die richtigen Worte. Wenn es einem Seebären wie ihm so geht, muss ich mich für meine Panik nicht schämen.
Und von oben sieht man die Delfine eigentlich eh auch sehr gut.
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