Pros und Cons eines englischen Sommers

+++English Version below +++
Eines vorweg: Eine Hitzewelle in England hat (noch) nichts mit einer österreichischen gemein.
Nach wochenlangem kaltem Regen zeigt das Thermometer das erste Mal knapp über 28 Grad und schon erscheint eine Extremwetterwarnung auf dem Display meines Handys. Ich rolle amüsiert die Augen.
Aber die schlecht gedämmten Mauern lassen die Hitze dann zu bereitwillig in die Wohnung, immer mehr von ihr. Wie ein Germteig geht sie in der Wohnung auf, die Hitze, bis sie die zwei Stockwerke ausfüllt, also wären die ein Industriebackofen.
Das ist nie ideal. Noch weniger, wenn man den ganzen Tag mit Online-Unterrichten und Recherchieren vor dem Computer im Inneren der Wohnung verbringen muss.

Gestörte nächtliche Brise

Die erste Maßnahme besteht also darin, Fenster und Vorhänge über Nacht weit offen zu lassen und zu hoffen, dass der Abendwind möglichst viel Kühle hereinbläst.
Die zu nahe Durchzugsstraße nimmt man für die leichte Brise in Kauf. Bis eine Runde Jugendliche mit ihren aufgemotzten Motorrädern weit nach Mitternacht so laut durch die Straßen fetzen, dass es bestimmt auch einer der Multimillionäre im Weltall hören kann.
Mich setzt es aufrecht im Bett auf, das Herz pocht einen Marsch. Tod durch Schock oder Erstickung scheint die Option. Irgendwann wird dem heißen Gehirn die Frage zu anstrengend und es schläft ein.
Morgens muss man dann den exakten Zeitpunkt abpassen, in dem die Luft von draußen gerade noch kühl hereinweht. Dann werden schnell Vorhänge und Fenster geschlossen, Licht und Temperatur konserviert.

Die Sache mit den Bällen

Höhlentage tun nicht das Beste für die Seele.
Und dann kommt das Gekreische dazu. Als vernünftige erwachsene Person freue ich mich für die Kinder, die sich auf der Wiese vor dem Haus mit Wasserballons befetzen, die gluckern und lachen, einander hinterherlaufen und es genießen, einander nah sein zu können. Als Sommer-Höhlen-Grinch möchte ich sie anbrüllen, bis sie verstummen.
Ich schließe das Fenster. Das Geschrei klingt ungebremst weiter in die Wohnung. Neben den perfekt isolierten Wänden haben die Engländer:innen auch ein Händchen für schalldichte Fenster.
Am nächsten Nachmittag möchte ich erleichtert aufatmen, weil ich keine Kinder sehe, da fängt die Säge an. Die elektrische Baumsäge in der Hand eines Gartenarbeiters, der im Nachbarsgarten einen gefühlt 100 Meter hohen Baum fällt und dafür den ganzen Arbeitstag braucht.

Es wird gebohrt

Da es keine weiteren Bäume im Nachbargarten gibt (wird da gar nichts ersatzgepflanzt?) setze ich mich am nächsten Tag fast fröhlich an den Schreibtisch.

Doch was ist das? Von der anderen Seite des Hauses: Bohrgeräusche. Ich laufe ans Fenster. Die Bauarbeiter haben sich den idealen Tag für den Beginn der Verschönerungsarbeiten um den Wohnblock ausgesucht. (Aber seien wir uns ehrlich, ich hätte mich auch an keinem anderen gefreut.)
Ich stopfe mir die Ohrstöpsel so weit wie möglich in die Ohren und harre bis 17 Uhr in der Wohnung aus.
Dann springe ich ins Auto und fahre 25 Minuten südostlich.
Beim Aussteigen kreischen die Möwen anders als rund um die Wohnung. Es riecht nach Pommes, Sonnencreme und Salzwasser und an dem Geschäft am Eck baumeln Luftmatratzentiere.
Beim ersten Eintauchen ins Meer könnte ich schwören, dass kleine Rauchwolken aufsteigen. Und dann sinkt die
Körpertemperatur endlich wieder.
Die Wellen schwappen sanft und am Horizont ziehen Segelboote vorbei.
Für so ein Meer nehme ich die Backofen-Wohnung alle mal in Kauf.
***

Pros and Cons of an English Summer

One thing in advance: A heat wave in England has (yet) nothing in common with an Austrian one.
After weeks of cold rain, the thermometer shows just over 28 degrees and already an extreme weather warning appears on the display of my cell phone. I roll my eyes in amusement.
But the poorly insulated walls then let the heat into the apartment too readily, more and more of it. Like a yeast dough, it rises in the apartment, the heat, until it fills the two floors, as if they were an industrial oven.
This is never ideal. Even less so when you have to spend all day teaching online and researching in front of the computer inside the apartment.
So the first measure is to leave windows and curtains wide open overnight and hope the evening breeze blows in as much coolness as possible.

Disrupted breeze

You put up with the too-close-throughfare for the light breeze. Until a round of teenagers with their souped-up motorcycles shred through the streets so loudly that surely one of the multimillionaires in space can hear it. I sit upright in bed, heart pounding a march. Death by shock or suffocation seems the option. At some point, the question becomes too exhausting for the hot brain and it falls asleep.
In the morning, one then has to wait for the exact moment when the air from outside just blows in cool. Then curtains and windows are quickly closed, light and temperature conserved.
Cave days don’t do the best for the soul.

Next, the balls

And then there’s the shrieking. As a sensible adult, I’m happy for the kids who are water ballooning on the front lawn, gurgling and laughing, chasing each other and enjoying being close to each other. As a summertime cave grinch, I want to yell at them until they fall silent.
I close the window. The screaming continues to ring into the apartment unabated. In addition to perfectly insulated walls, the English also have a knack for soundproof windows.
The next afternoon I want to breathe a sigh of relief because I don’t see any children, that’s when the saw starts. The electric tree saw, which cuts down a tree in the neighbour’s garden that feels 100 meters high and takes the whole working day to do so.
Since there are no other trees in the neighbour’s garden (isn’t there any replacement planting?) I sit down at my desk the next day almost cheerfully.

Now there is drilling

But what is it? From the other side of the house: drilling noises. I run to the window. The construction workers have picked the perfect day to start beautification work around the apartment block. (But let’s face it, I wouldn’t have been happy on any other).
I stuff the earplugs in my ears as much as possible and hold out in the apartment until 5pm.
Then I jump in the car and drive 25 minutes southeast.
When I get out, the seagulls screech differently than around the apartment. It smells of chips, sunscreen and salt water, and there are air mattress animals dangling from the store on the corner.
The first time I dive into the sea, I could swear that little clouds of smoke are rising. And then the body temperature finally drops again.
The waves slosh gently and sailboats pass by on the horizon.
Living at the sea definitely has its advantages.
It definitely makes you put up with a hot apartment.
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