Weißer Stoff und ganz viel Zucker oder ich bin nur wegen der Snacks da
Hollywood hat ja in den seltensten Fällen Ähnlichkeiten mit dem echten Leben.
Beweisstück A
Erstens, gibt es es niemals – vor allem wochentags nicht! – üppig gedeckte Frühstückstische, wie man sie aus Familienfilmen kennt.
Wer genau hätte das herrichten sollen? Meist beißen die Serienfiguren dann auch nur einmal von einem Croissant ab und müssen schon los. (Weil: Jetzt ist schon wieder was passiert.) Schade um diese vielen unbeachteten Bagels.
Beweisstück B
Zweitens kann das Geld, das die Menschen den lieben lange Tag so ausgeben, nicht einmal annähernd mit dem Job hereinkommen, den sie ausüben.
Klassisches Beispiel: Sex & The City. Eine Kolumne pro Woche ermöglicht ein Paar 500-Dollar-High-Heels – ebenfalls pro Woche? Ähhmm, klar!
Beweisstück C
Und drittens: die Morgenmomente. Wieso, eigentlich, sind Schauspielerinnen, die bei Aufwach-Szenen gefilmt werden, immer noch perfekt geschminkt?
Die einzige, die das sein dürfte ist Mrs. Maisel (aus der tollen Serie “The Marvelous Mrs. Maisel”).
Kleiner Exkurs: Mrs. Maisel lebt im Amerika der 1950er-Jahre. Sie wartet immer bis ihr Mann eingeschlafen ist. Huscht dann ins Bad, schminkt sich ab, klatscht sich eine Gesichtsmaske aufs Gesicht, legt sich hin, schiebt den Vorhang dabei aber noch so zur Seite, dass sie in der Früh von der Sonne wachgekitzelt wird, bevor ihr Mann aufwacht, huscht dann wieder ins Bad, stylt sich, legt sich neben ihren Mann und tut beim Weckerläuten so, also wäre sie gerade – mit Föhnwelle und perfektem Lidstrich – munter geworden.
Tadaa!
Ausschweifende Realitätsvorlage
Aber: Eine Sache gibt es, bei der Hollywood das echte Leben ganz gut trifft. Offensichtlich ist hier die reale Vorlage bombastisch genug; da muss die Filmindustrie also gar nichts mehr ausschmücken.
Und zwar beim …
… Brautkleid suchen.
Unlängst, nämlich, mit einer sehr lieben Freundin, die bald heiraten wird (juhu!), im Mezzanin eines Altbaugebäudes: Die freundliche Verkäuferin öffnet die Tür, kaum dass wir geläutet haben.
Sie führt uns vorbei an Millionen Metern Tüll und Taft und Seide und Spitze.
An Glitzerschuhen.
Und Tiaras.
Sogar an einer Candy-Bar.
Bis nach hinten ins Probierzimmer.
In dem quadratmetermäßig meine gesamte Wohnung Platz hätte.
Gut, das stimmt nicht ganz.
Sie würde sich sogar zwei Mal ausgehen.
Nervennahrung
Während drei Viertel des Raums mit ausladenden, weißen Kleidern bedeckt sind, befindet sich im dritten Eck eine Zuschauer-Couch.
Und auf den Tischchen davor und daneben:
Salzstangen.
Schokotaler.
Mannerschnitten.
Muffins.
Gummipfirsiche.
Fitzers.
Maoam.
Orangensaft.
Apfelsaft.
Johannisbeersaft.
Energiedrinks.
Sekt.
Wahnsinn, denke ich, wie ich Film und überlege kurz, ob ich jetzt gut genug aussehen würde, sollten hier – Truman-Show-mäßig – tatsächlich Kameras versteckt sein.
Aber bestimmt sind die Snacks bloß Attrappe, weil das gut aussieht. Vielleicht haben sie das von den Hollywoodfilmen übernommen, bei denen die Protagonisten immer halbe Tage in einem Brautkleid-Geschäft verbringen.
In echt greift die Snacks bestimmt niemand an, denke ich um 9:45 Uhr; in echt dauert das ja nie so lange.
HA!
Hahaha!, weiß ich um 13.30 Uhr. Oder auch: Sieben probierte Kleider später. Wie genau ist denn jetzt die Zeit so schnell vergangen? Ich hab doch dazwischen kein einziges Mal auf die Uhr geschaut.
Schuldig im Sinne der Anklage
Irgendjemand hat in dieser Zeit jedenfalls auch den Snacktisch leer geräumt.
Den kleinen Häufchen an leeren Verpackungen nach zu urteilen, die auf meiner Hälfte des Tisches liegen, war das wohl ich.
Gut, aber wie soll ich ohne Zuckernachschub denn sonst noch die Energie haben, zu wissen, welches der weißen Kleide mir besser gefällt? Und mit welchem Schleier? Braucht es das kurze Jäckchen oder das lange? Ein Unterkleid?
Die Auswahl ist zu groß und trotzdem will nichts so richtig passend. (Wie bei Tinder, eigentlich.)
Die Freundin schlüpft unterdessen in das nächste Kleid. Wie sie das schafft, weiß ich nicht ganz genau. Sie hat in den letzten Stunden eigentlich nur ein bisschen Wasser getrunken.
Aber man weiß es ja von diversen Sportevents: Da brauchen die Zuschauer schließlich auch große Mengen an Chips, Popcorn, Bier und Spritzwein, um laut schreien zu können, wie David Alaba hätte laufen oder Dominik Thiem hätte aufschlagen oder Anna Fenninger das Tor hätte anfahren soll.
Beraten und Kommentieren ist eben eine äußerst anspruchsvolle und kräfteraubende Tätigkeit.
Gut, dass die Verkäuferin also soeben wieder aus der Umkleidekabine kommt.
“Haben Sie vielleicht noch so Schokotaler?”
***
P.S. Das richtige Brautkleid fanden wir dann übrigens an dem Ort, an dem wir danach nur einen Sprung vorbeischauen wollten und gar nicht wirklich etwas erwarteten.
Wie so oft im Leben.
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