Platzwechsel

Anfangs bemerke ich es nicht.

Ich bin zu sehr darauf konzentriert, mit Flora das Gleichgewicht zu halten. Im Zu-Zweit-Auf-Der-Vespa-Fahren bin ich noch ungeübt und deshalb ziemlich sicher, dass wir spätestens in der ersten Kurve umkippen. Vielleicht würde ich es noch schaffen, zu bremsen, aber ihr Fallen würde ich nicht verhindern können. Wie damals, vor sieben Jahren, als ich noch ungeübt die rote Vespa schräg auf dem Kopfsteinpflaster abstellte, sie zu rutschen begann und sich langsam zur Seite neigte. Mit aller Kraft zog ich sie zu mir, aber der Schwerpunkt war schon zu tief und so konnte ich das Umkippen nur mehr verlangsamen.

Ihre rote Backe war komplett zerschrammt. Das macht dann 700 Euro, bitte, danke.

Ein Wiederholen sollte im Idealfall vermeiden werden. Also halte ich den Lenker so fest, dass ich am Abend einen Muskelkater in meinen Oberarmen habe. Auch eine Art, sich das Fitnessstudio zu sparen.

Nicht zu übersehen

Als das Fahren zu zweit leichter wird, bemerke ich die Blicke, die zu lange auf der Vespa verweilen.

Einige amüsiert, einige irritiert. Ich werde stutzig: Habe ich etwas übersehen? Habe ich ihnen die Vorfahrt genommen? Ist die rote Farbe so ungewöhnlich? Oder ist das der gemeinhin verärgerte Blick, weil sich Vespa- und Motorroller-Fahrer gerne an der Ampel vordrängen?

Ich verstehe es erst, als uns am nächsten Tag eine Frau die Vorfahrt schenkt, breit grinst und ihren hochgestreckten Daumen zeigt.

Wirklich?

Einige Zeit lang beobachte ich die entgegenkommenden Autos und Motorräder. Tatsächlich: Bis auf einen Fall, saß in jedem Gefährt, in dem sich ein Mann und eine Frau befanden, der Mann am Steuer. (Bei den Motorrädern gab es keine Ausnahme.)

Ob jene Person, die das Familienschiff durch die Straßen manövriert, es auch im übertragenen Sinn durch den Verkehr des Lebens lenkt? Ob wirklich alle Frauen, die am Beifahrersitz Platz nehmen, nicht gerne fahren? Oder ob das Lenken des Mannes manchmal so sehr zur Gewohnheit wird, dass sich manche Frauen die Frage nach der Freude am eigenen Fahren nicht mehr stellen? Und nach einiger Zeit die Unsicherheit so groß wird, dass sie das Fahren erleichtert dem Partner überlassen? Ob es aber nicht eigentlich ziemlich arrogant von mir ist, anderen Frauen mein Verständnis von Selbstständigkeit aufdrücken zu wollen? Hups, da habe ich fast eine Bodenschwelle übersehen.

Bankbekanntschaft

Ein paar Tage später kommen wir in der Nacht mit der Vespa neben einer Bushaltestelle zum Stehen. Zwei betrunkene ältere Männer sitzen auf der Wartebank, schimpfen, grölen, lachen. Als die Ampel auf Grün schaltet, ruft einer: „He, wieso lässt du sie denn mit deinem Roller fahren?“

„ES IST NICHT SEINE!!“ brülle ich in den Nachtwind. Dann drücke ich aufs Gas und brause davon. So überdreht, dass ich ziemlich rasant in die nächste Kurve fahre. Aber die rote Vespa gerät kein bisschen ins Wanken.

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